Herr meiner Selbst

Herr meiner Selbst

Eher aus der Nachlässigkeit von den chemischen Ketten befreit als aus einem bewussten und eher sinnvollen (gar notwendigem und gesünderen Schritt), sinken meine Wahrnehmung mit ihren Gedanken und Empfindungen in die Wahrheit der Wirklichkeit meiner Existenz.

Erstaunlich und vielleicht erschreckend, wie dicht der Schleier über meinem Leben ist oder sich gelegt hat. Lebe ich im Grunde in einem Traum? Mit großer Gewissheit jedoch in einem parallelen, nur angenommenen und entfernten Dasein.

Die mich umgebenden, durch Fremdwirkung induzierten Wolken, die Watte gleich, viele Spitzen und Kanten in meinem Leben weniger verletzend, schroff und in die Tiefe reißend, ihre Wirkung auf meine Sinne entfalten, erscheinen mir nun wie Beihilfen zur Lüge, Selbsttäuschung und Irreführung.

Wenn ich unter Schmerzen leide, bin ich dann ich selbst oder nicht?

Frage ich mich selbst im Spuren | Journal - Eintrag Linderung im Schmerze, in dem ich über die Wirkung der Hilfe nachdenke. Und weiter heißt es da:

Bin ich diese elende Kreatur, bin ich dies wirklich? Und bin ich weniger ich, wenn ich zur Linderung etwas nehme, dass mich am Ende vom Schmerze, befreien kann?!

Damals stellte ich mir eine ähnliche Frage nach dem wahren „ICH“, als ich gerade anfing „Linderung im Schmerze“ zu empfangen.

Dieser Tage, da dieses Elixier ausläuft, kommen Gedanken wie Betäubung oder Verwirrung in den Sinn, weil ich das erste Mal seit langem frei davon werde.

Eine direkte Antwort gibt es nicht.

Wohl auf den Standpunkt kommt es an.

Und die Sichtweise…

Bin ICH im Schmerze oder bin ICH ohne ihn?!

Und bin ich weniger ich, wenn ich zur Linderung etwas nehme, dass mich am Ende davon, vom Schmerze, befreien kann?!

Jetzt, nach Jahren der Linderung, weil es mich ohne wohl zerbrochen hätte, bleibe ich fragend, ohne Antwort.

Doch es ist wichtig zu wissen, weil der Pfad vor mir davon abhängig ist.

Auch wenn das Elixier jene Linderung zu erbringen vermag, geht dies natürlich nicht ohne Gegengewicht einher, welches sich in mancherlei physischen Leiden äußert. Nichts in der Welt ist ohne einen solchen Preis. Wenn Energie aufgewandt wird, um einer Sache zu helfen, so wird diese in etwas anderem genommen oder wenigstens zu einem Teil.

Es ist also niemals ohne andere Beschwerden Hilfe zu erhalten, man muss sich nur nach der Wertigkeit fragen und danach, ob diese zusätzlichen Lasten die Einnahme rechtfertigen.

Das Schwere ist, dass sie es häufig tun und dann wieder nicht, je nach Situation. Ein komplettes Leben zu erwarten ist in jedem Leiden müßig und fern der Wirklichkeit.

Die Frage ist sicher auch, ob und wie ich Herr meiner selbst bin. Doch diese Frage zu beantworten, fühle ich mich außer Stande. Dafür fehlen mir noch mehr Erfahrungswerte, die mich zu einem oder dem anderen bewegen können.

Aufgrund der Natur der Dinge ist auch noch völlig unklar, was mit mir geschehen wird und wie tief ich dann, vollkommen ohne, empfinden werde.

Ein Stück des Weges muss ich also noch gehen, um besser zu begreifen was zu tun ist. Meiner Selbst Herr zu sein ist existenziell.

Die Trauer ist tief, des Lebens Last beschwerlich und die offenen Wunden lange nicht verheilt. Also ist es nicht ganz ohne Tücken just in diesem Augenblicke davon abzulassen.

Wenn wir beide oder sogar all die existierenden Erfahrungen gemacht haben, sind wir in der Lage zu einer gesunden Entscheidung zu kommen.

Das ist wichtig in all diesen Gedanken.

Heilung, Ausgewogenheit und Gewissheit.

Danach sollte man den Pfad in die Zukunft wählen.

Für den Augenblick vermag ich nur dies zu sagen:

Ich bin immer derselbe.

Ich bin ICH.

Im Lichte, im Schatten und in der Dunkelheit…

In der Liebe des Herrn, in der Nachfolge auf dem Pfade Christi, vom heiligen Geiste beseelt.

R. Rehahn, 03.03.2024


Nachtrag

Mit den voranschreitenden Tagen nimmt alles zu in mir:

Die Verzweiflung, die Ängste und auch die Einsamkeit.

Gleichzeitig auch die Kraft, Energie und Euphorie.

Die Tiefe meiner Gedanken und Empfindungen wächst mit jedem Augenblick.

Das ist es eigentlich, was die Linderung mir gibt und nimmt.

Ich spüre die Wogen des Meeres stärker.

Sie tragen mich ebenso, wie sie mich fortreißen, habe ich das Gefühl, aber es könnte ein Trügerisches sein!

Das Auf und Ab wächst in mir.

Wenn kein Sturm aufzieht, könnte es einem Winde gleich vorüberziehen.

Wehe dem aber, wenn es doch geschieht, dann fürchte ich den Sog der Tiefe.

Und nun sollte ich die Fragen deutlicher beantworten können.

R. Rehahn, 08.03.2024