Vom Wesen in der Schöpfung
Über das eigene Sein in der künstlerischen Arbeit
In den vergangenen beiden Einträgen habe ich mich mit dem Wesen der Kunst als ewiger Weg, mit der Werkstatt als wichtiger Raum zur Entfaltung und den drei Säulen der Arbeit befasst, dabei aber den wichtigsten Aspekt ausgelassen, weil dieser quasi die Grundlage darstellt, ohne die man überhaupt nichts anfängt oder vollenden kann.
Dies ist so selbstverständlich, dass es oft vergessen wird, aber für mich, der die Kehrseite am eigenen Leibe gesehen und erlebt hat, ist es ein sehr wichtiger Punkt im Ganzen der Kunst.
Kurz gesagt, der Mensch braucht für alles was er tut, ein Sendungsbewusstsein.
Zurück an den Anfang:
Der Künstler hegt, wie jeder Mensch, tiefe Zweifel über das eigene Schaffen, welches er wie ein Kleinod hütet, daher die Eitelkeit in der Kunst, wie einen ureigenen Samen nährt, hegt und pflegt, bis dieser Blüte trägt.
Die Zweifel können zerstörerisch oder auch förderlich sein, je nach Menschen, in jedem Fall, müssen sie auf die eine oder andere Weise bewältigt werden, um überhaupt zur Vollendung eines Werkes oder der eigenen Kunst zu gelangen.
Dies kann aber nur geschehen, wenn der Künstler ein Sendungsbewusstsein hat, sich selbst und das was er als sein Werk befindet, also für wertvoll genug, vor der Welt zu erscheinen.
Deshalb kommt es vor, dass jemand mit einem extrem großen Sendungsbewusstsein oder sagen wir Selbstbewusstsein, aber weniger Talent, dennoch nach draußen treten kann, ohne in irgendwelche Zweifel zu geraten.
Dabei muss man anmerken, dass der Zustand wohl meistens unbewusst zu Tage tritt, d.h. die meisten denken gar nicht darüber nach oder tun es als einfache Zweifel ab, obwohl doch mehr dran ist.
Die Bezeichnung Sendungsbewusstsein finde ich zutreffend, weil sie klar definiert, was hier vor sich geht.
Jemand, der von sich selbst und seinen Werken nicht glaubt, dass sie etwas zu bedeuten, zu geben haben und einen Wert in sich tragen, wird niemals an die Öffentlichkeit treten oder das eigene Schaffen anpreisen.
Natürlich gibt es Ausnahmen oder vielleicht sogar Regeln, aber davon spreche ich hier heute nicht.
Warum ich davon erzählen kann?
Natürlich, weil ich am eigenen Leibe erfahre, wie es mit und ohne Sendungsbewusstsein vor sich geht, wobei ich nicht von mir auf andere schließen möchte, aber diejenigen, die es ebenfalls erleben, werden verstehen was ich meine.
Für mich muss eindeutig klar sein, dass einer meiner Texte einen Wert hat und etwas geben kann. Wenn ich daran zweifle, und darin liegt der Unterschied zum einfachen Zweifel, fliegt der Text nicht einfach in die Schublade, nein, ich höre ganz auf zu schreiben, was sehr häufig geschieht.
Das heißt dieses fehlende Sendungsbewusstsein manifestiert sich bereits im Ursprung und zerstört sogar den simplen Akt die Feder in die Hand zu nehmen, ganz egal in welcher Welt, ob der realen oder der virtuellen.
Das ist es, was man vielleicht mit Schaffenskrise bezeichnet, ein Zustand in seinem Mark erschüttert. Nicht die Blüte selbst, als Zeichen für das Werk, wird hinterfragt, sondern die Schöpfung des Samens, sein Pflanzen selbst.
Es ist ein zutiefst destruktiver Zustand, in dem man vollkommen vernichtet danieder liegt und seine eigene Existenz verflucht.
Wie wundervoll ist dagegen die Trance des Sendungsbewusstseins.
Ob nun Sinn voll, lohnend, ruhmesreich oder nicht, die Schöpfung wird zu einem Akt der Wonne, die man klar im Geiste erlebt, dass all das was man hier erschafft, etwas Gutes ist.
Die Abstufungen dabei, inwieweit man das eigene Werk nun schätzt, seien dahingestellt. Ich selbst jedenfalls, bin mir, auch in diesem Delirium wohl bewusst, wofür und für wen und warum, mein Werk eine Bedeutung haben, aber es ist mir bewusst und das ist der springende Punkt.
Man empfindet all das zutiefst, es gibt keinen Zweifel daran oder wenn es einen gibt, dann ist er gesund und nicht groß genug einen von seinen Vorhaben abzubringen.
Ohne Sendungsbewusstsein kommt nichts zustande, ja, es wird wahrscheinlich noch nicht einmal gedacht oder erlaubt gedacht zu werden. Die Idee erstickt sozusagen im Keim, bis ein Zustand erreicht wird, in dem es nicht einmal mehr Ideen gibt.
Der Raum hat keine Luft mehr und ist zugestellt, abgesperrt und verödetes Land, aus dem nichts mehr wächst. Es ist eine elende Existenz.
Zweifel selbst können sich auf vielerlei Weise gestalten:
Man kann im Schreiben nach dem Sinn fragen, weil vergangene Texte schon nicht gelesen wurden. Oder bei der Inszenierung eines neuen Stückes erinnert man sich an das ausbleibende Publikum. Dann führt man alles auf verschiedene Gründe zurück, die fehlenden Chancen oder das eigene Talent.
Und diese Gedanken können natürlich soweit gehen, dass man das eigentliche Gefühl etwas sagen zu haben, im Zuge der Zweifel verliert, bis nur noch Verzweiflung übrigbleibt.
Die Interaktion zwischen Publikum und Künstler ist sowieso von größter Bedeutung, denn nur die Hartgesottenen machen immer weiter, bis sie nicht mehr können oder sie den Durchbruch schaffen oder sich der Sinn hinter der Kunst auf andere Dinge verlagert, so wie das bei mir der Fall ist.
Heute möchte ich wahrscheinlich nur vom fehlenden Sendungsbewusstsein schreiben, an dessen Auswüchsen ich schon eine Weile leide.
Denn Kunst ist immer auch Ausdruck für etwas anderes.
Gedanken, Empfindungen, Seelenschmerz und Wonne, Herzeleid und Glückseligkeit, Trauer und Freude müssen bei manchen Menschen auf eine bestimmte Weise ausgedrückt werden. Es ist wie tägliches Brot, ohne das man verhungert. Oder wie eine Pflanze, die kurz vor der Blüte abgeschnitten oder am Blühen gehindert wird, bis sie verdorrt.
All dies schreibe ich nicht für jene, die einfach zur Tagesordnung gehen können, sondern für jene, die tatsächlich nicht anders können, als zu malen, zu musizieren oder zu schreiben und in Selbstzweifeln vergehen, ja daran erkranken.
Denn ich leide sehr darunter, wenn ich nicht schreiben oder etwas veröffentlichen kann. Weil es ein zwanghafter, auferlegter und verstummender Zustand ist, der in sich selbst bereits krankhaft, in seinem Verlauf aber krankmachend ist.
Und deshalb gilt es ihn zu überwinden.
Das kann auf verschiedene Weisen erfolgen und eine davon ist die Entscheidung loszulassen, wie ich es vor zwei Jahren getan habe und auch langsam tun musste. Wenn man den Sinn dahinter begreift, dann kann man einen krankhaften Zustand in etwas Wahrhaftiges umwandeln. Das Leid erscheint in einem neuen Licht und wird somit nicht mehr zum Leid.
Es muss also nicht notwendigerweise zurück zur Kunst führen. Aufzuhören darf nur nicht zwanghaft sein, wie es der Zweifel eben ist. Das ist ein giftiger Prozess, der wiederum anderes auslöst.
Aber Kunst in seinen vielfältigen Formen ist eben ein Pfad, der nicht wirklich aufhört oder ein Ende nimmt oder bei dem man aufgibt. Selbst wenn man niemals zurückkehren würde, ist das Gefühl, um die Kunst und in ihr zu sein, wie der Traum von Schöpfung, voller Hoffnung und im Innern weiterhin Blüte hervorbringend.
Ich bin mir nicht sicher was man tun kann, um von der Zerstörung der Zweifel am Sendungsbewusstsein loszukommen. Die Distanz ist sicher ein Weg, so wie er das für mich war.
Wie schon anderweitig geschrieben, muss man beim Neuanfang jedoch aufpassen, denn falls es triftige Gründe für die Abtrennung gab, sollte man sehr behutsam vorgehen, um nicht in dieselbe Falle zu tappen. Es ist also wichtig sich selbst genau zu erkennen oder zu verstehen, warum dieses oder jenes eingetreten ist, denn es ist leicht exakt da weiter zu machen, wo man aufgehört hat und das wäre in keinem Fall ratsam. Schon bald wäre man am selben Punkt und der Schmerz würde sich wiederholen.
Ein Einbruch wie ich ihn erlebt habe, kann also auch aus einem Grund entstanden sein. Aber nur wenn und weil er natürlichen Ursprungs ist. Wer jemanden in das Unglück zwingt, um weiszumachen, dass es etwas Gutes hätte oder eine Chance wäre, ist der Teufel. Aber das nur am Rande und als Hinweis auf einen anderen Text.
Ich möchte nur sagen, dass ich ein Sendungsbewusstsein hatte und dann irgendwann nicht mehr und jetzt damit hadere, aber wenigstens wieder schreiben kann, ohne in Verzweiflung über all die Elemente zu geraten, die an der Schöpfung noch hängen, wie die Erscheinung und ihre vielen Tücken.
Dabei glaube ich fest, dass dieses Sendungsbewusstsein eine Eigenschaft von Künstlern und anderen Menschen ist, die nach Draußen, in die Welt treten, um auf die eine oder andere Weise zu erscheinen. Die Mittel sind dabei jedoch wichtig und man sollte nicht um jeden Preis einen solchen Schritt wagen oder aus einer Eitelkeit heraus. Die Kunst ist zwar voller Eitelkeit, aber auch edel.
Ein „Pendant“ zum Sendungsbewusstsein, in viel höherer und reiner Form, ist das Messianische Bewusstsein, wie bei Jesus Christus, in dem ein Mensch sich zu höherem berufen fühlt und im Namen Gottes oder anderer höherer Wesen spricht.
Der Künstler braucht ein Sendungsbewusstsein.
Ob es nun bewusst erlebt wird oder nicht.
Ich glaube, es ist stets vorhanden und möchte genährt werden. Es ist wie das Blut, das durch die Adern fließt, wie der Atem der lebendig macht, wie das Wasser des Lebens, welches die Natur mit Leben erfüllt.
RR, 01.12.2020